„Ich will niemanden vor den Kopf stoßen – aber ich kann nicht mehr.“
Vielleicht hast du das auch schon mal gedacht. Oder:
„Ich will mich nicht klein machen – aber ich will halt auch nicht unfreundlich sein.“
„Ich will selbstbestimmt arbeiten – aber irgendwie fühl ich mich gerade wie eine Angestellte auf Zuruf.“
Ja. Same.
In den letzten Wochen habe ich mich aus einer Zusammenarbeit gelöst, die lange Zeit ein wichtiger Teil meines Alltags war. Und gleichzeitig war sie ein Grund, warum ich mich oft selbst hinten angestellt habe.
Denn so ehrlich bin ich: Ich hab mich gebraucht gefühlt – aber nicht gesehen. Ich hab mich „sicher“ gefühlt – aber nie wirklich frei.

Grenzen setzen als Selbstständige – klingt so logisch. Ist es aber nicht.
Wenn du angestellt bist, gibt’s Verträge. Zuständigkeiten. Arbeitszeiten. Aber als Selbstständige? Da ist alles Verhandlungssache, bevor Verträge kommen. Da verschwimmen Grenzen. Und zwar oft schneller, als dir lieb ist.
– Da kommt eine Nachricht abends um halb zehn: „Könntest du da noch schnell mal…?“ Und du willst ja nicht Nein sagen.
– Oder ein Telefonat, obwohl du schon zehnmal gesagt hast, dass du nicht gern telefonierst und es zieg andere Möglichkeiten gibt.
– Oder ein Preis, der eigentlich nicht zu deiner Leistung passt – aber du sagst trotzdem ja (zu einer Zeit, als ich das geld bitter nötig hatte – da sind 400 Euro monatlich mehr, als nichts).
Und dann kommt das schlechte Gewissen, wenn du dich wehren willst. Dann meldet sich der innere Antreiber:
„Stell dich nicht so an.“
„Du bist doch selbstständig – da muss man flexibel sein.“
„Was, wenn sie sonst nie wieder bucht?“
Ich hatte eine Kundin. 10 Stunden die Woche (von 25 verfügbaren). 15 Euro pro Stunde.
Kein Scherz.
15 Euro.
Für Arbeit, für die andere 80 Euro zahlen.
Und diese Kundin hat diese 10 Stunden nicht nur „gebucht“. Sie hat sie beansprucht. Mit einer Selbstverständlichkeit, bei der mir irgendwann klar wurde: Ich bin in einem goldenen Käfig. Und er glänzt nicht mal besonders schön.
Und während sie 10 Stunden kriegt, teilen sich andere Kund*innen den Rest.
Ich arbeite 25 Stunden die Woche. Mehr geht nicht – Kinder, Haushalt, Leben. Und von diesen 25 Stunden? 10 blockiert. Fix. Für jemanden, der in anderen Kontexten vierstellige Summen auf einen Schlag zahlt. Aber bei mir?
15 Euro. Und die Erwartung, dass ich sofort springe. Dass ich antworte – auch Abends oder Nachts. Dass ich noch „kurz“ was mache, wenn der Termin schon Monate bekannt ist. Das ich am Wochenende was mache, weil es dringend ist.
„Selbst schuld…“ Und ja, das ist es. Ich habe begonnen, da war das besser als alles andere. Da war das Taschengeld. Als das Business dann richtig losging und das Geld kam, da änderte sich viel. Aber da steckte ich tief drin.
Und ich? Ich hab’s mitgemacht. Weil ich dachte, ich muss.
Weil ich Angst hatte, dass die mittlerweile 800 Euro im Monat wegbrechen. Weil ich dachte, ich bin nicht in der Position, Forderungen zu stellen. Weil ich mir eingeredet hab: „Sie half mir, als ich nichts hatte.“
Aber weißt du, was eigentlich der Preis war? Mein eigenes Wachstum. Ich hatte keine Zeit mehr für Kundengewinnung.
Keine Kapazität für Content. Keine Luft zum Atmen.
Diese 800 Euro hatten den Wert von knapp 4000 Euro. Und das ist das Ding.
Grenzen setzen als Selbstständige heißt: dich selbst ernst nehmen.
Nicht im Sinne von: „Jetzt wird hier aber mal auf den Tisch gehauen.“ Sondern im Sinne von: Ich achte auf mich. Auf meine Energie. Meine Zeit. Meine Werte.
Und ja, das fühlt sich manchmal unbequem an. Weil du weißt, dass das Nein wehtun kann. Weil du spürst, dass du damit auch etwas beendest, was dir mal wichtig war.
Aber: Du beendest es nicht, weil du undankbar bist. Sondern weil du gewachsen bist.
Was mir geholfen hat, meine Grenze zu erkennen:
– Ich hab auf mein Bauchgefühl gehört.
Dieses leise Unwohlsein, wenn eine neue Anfrage kam. Dieses „Oh nein, nicht schon wieder.“
– Ich hab Zahlen angeschaut.
Was bleibt am Ende vom Monat? Was zahlt sich wirklich aus – finanziell, emotional, energetisch? Die Miete muss ja bezahlt werden.
– Ich hab mir erlaubt, mich zu fragen: Will ich das wirklich noch?
Und die ehrliche Antwort war: Nein.
Aber der richtige Cut kam, als es einen Todesfall im engsten Familienkreis gab, ich Bescheid gab, dass ich 3 Tage geschäftlich nicht erreichbar sei und es wurde einfach keine Rücksicht darauf genommen.
Was passiert, wenn du anfängst, deine Grenzen zu zeigen:
Du wirst getestet.
Du wirst infrage gestellt.
Manche Menschen gehen.
Aber – und das ist so wichtig – du schaffst dadurch Platz für neue Verbindungen. Für Kund*innen, die dich nicht ausnutzen, sondern wertschätzen. Für Projekte, die dich inspirieren, statt dich zu erschöpfen. Für deine eigene Stimme.
Und ja, am Anfang fühlt sich das leer an.
Ich geb’s zu: Als ich die Zusammenarbeit beendet hab, war da auch Angst. Ich hab die 800 Euro gesehen, die jetzt fehlen. Ich hab gespürt: Ich hab jetzt keine Ausrede mehr, um mich nicht um meine Sichtbarkeit zu kümmern.
Aber weißt du, was ich auch hatte?
– Zeit.
– Klarheit.
– Fokus.
Ich konnte anfangen, für mein eigenes Business zu arbeiten. Content zu schreiben, der von mir spricht. Kund*innen anzuziehen, die mit mir auf Augenhöhe sind.
Grenzen setzen ist kein Verlust. Es ist ein Wachstumsschritt.
Und ja, das fühlt sich nicht immer angenehm an. Aber es fühlt sich richtig an.
Denn jedes Nein zu etwas, das dir nicht guttut, ist ein Ja zu dir. Zu deinem Wert. Deinem Tempo. Deiner Art, zu arbeiten.
Wenn du gerade an dem Punkt bist: Hier ein paar Gedanken für dich.
Du bist nicht unprofessionell, wenn du außerhalb deiner Zeiten nicht antwortest.
Du bist nicht schwierig, weil du lieber E-Mail statt Telefon willst.
Du bist nicht weniger wert, nur weil du weniger arbeitest.
Du bist nicht egoistisch, wenn du dich um dich kümmerst.
Und du darfst gehen. Auch wenn’s wehtut. Auch wenn’s ungeplant kommt.
Denn du bist nicht mehr die, die du warst, als du diesen Auftrag angenommen hast. Und das ist okay. Mehr noch: Das ist gut.
Denn was bleibt, wenn du deine Grenzen nicht achtest?
– Erschöpfung.
– Groll.
– Selbstzweifel.
Was entsteht, wenn du anfängst, für dich einzustehen?
– Raum.
– Selbstvertrauen.
– Freiheit.
Fazit: Grenzen setzen als Selbstständige ist ein Geschenk an dich selbst.
Es ist kein Schlag ins Gesicht für dein Gegenüber. Es ist kein „Ich will nicht mehr helfen.“ Es ist kein: ,,Ich bin dir nicht dankbar.“ Es ist ein: „Ich darf selbst bestimmen, wie ich leben und arbeiten will.“
Und genau das macht uns doch aus, oder?
Nicht, dass wir alles mitmachen – sondern dass wir mutig entscheiden. Immer wieder. Für uns.
PS: Du musst nicht laut sein, um klar zu sein. Du darfst einfach du sein.
Speicher dir diesen Artikel gerne ab für den Tag, an dem du zögerst. Oder schick ihn an die Freundin, die sich auch nicht traut, Nein zu sagen.
Und wenn du magst, schreib mir in die Kommentare:
Wo fällt dir Grenzen setzen gerade besonders schwer?
Du bist nicht allein. Und du darfst da rauswachsen.
0 Kommentare